Paquebot (ausgesprochen: packboo) kommt aus dem Französischen, heißt übersetzt Ozeandampfer und regelt den postalischen Briefverkehr von Schiffsbesatzungen im Ausland nach den Bestimmungen des Weltpostvereins "UPU" (Union postale universelle, Bern/Schweiz).
Der Verein wurde am 9. Oktober 1894 von 22 Ländern - darunter auch Deutschland - unter der Amtssprache "französisch", gegründet. Heute sind alle Staaten der Vereinten Nationen, zur Zeit 192, Mitglied der UPU.
Nach internationalem Recht gehört ein Seeschiff zu dem Hoheitsgebiet des Landes, in dem es registriert ist und unter dessen Flagge es fährt.
Wird nun an Bord eines dieser Schiffe ein Brief auf hoher See geschrieben, so müssten auch die Briefmarken des Landes, in dem das Schiff registriert ist, gültig sein. Das heißt, Postkarten und/oder Briefe sollten ohne Zusatzkosten bei der Aufgabe in fremden Ländern bei der Post abgegeben werden können.
Auf einer Tagung der UPU im Jahre 1897 wurde der Beschluss gefasst, dass Post von einem eingelaufenen Schiff mit den Briefmarken des Heimatlandes befördert werden muss. Jedoch ist die zu befördernde Post mit dem Vermerk "Paquebot" oder mit "Navire" zu versehen, allerdings spielt es keine Rolle, ob handschriftlich oder per Stempel, dieses wurde nicht reglementiert.
Diese Regelung gilt nur für Post, die im "ersten" Hafen eines fremden Landes aufgegeben wird. Läuft das Schiff einen weiteren Hafen dieses Landes an oder wird der Brief im Hafen geschrieben, muss die Post mit den Briefmarken des jeweiligen Landes frankiert werden.
Diese Art der Briefbeförderung war bei Seeleuten leider kaum bekannt. Briefe, die damals per Paquebot befördert wurden, stehen heute bei Philatelisten hoch im Kurs. In der heutigen Zeit der modernen Datenübertragung spielt Paquebot kaum noch eine Rolle in der Briefbeförderung.
Im Oktober 2011 erhielt ich über meine Homepage folgende Nachricht von einem Paquebot-Post-Sammler.
Hallo Herr Sander
Ich bin leider nie zur See gefahren, doch hat mir Ihre Seite sehr gut gefallen. Sie hat sehr anschaulich die Seefahrt von damals dokumentiert. Während der Suche nach Informationen zu einem Schiff mit Namen MS "Westfalen" bin ich durch Zufall auf Ihre Seite gestoßen.
Als Schiffspost-Sammler konnte ich eine interessante Karte mit Stempeln der MS "Westfalen" erwerben. Sie wurde in Veracruz abgestempelt und als Paquebot nach Hamburg gesendet.
Mein Problem ist, dass ich keine Infos über dieses Schiff im Internet finden konnte. Auf Ihrer Seite erhielt ich schließlich die ersten Hinweise. Leider waren zu dem 3. Teil der Seefahrt keine weiteren Daten und Bilder vorhanden, um sicher zu sein, dass ich das Rätsel gelöst habe. Weitere Seiten mit Infos und Fotos über die MS Westfalen konnte ich nicht finden. Es gibt andere Hinweise, doch bin ich nicht sicher, das die stimmen. So gab es ein Katapultschiff mit gleichem Namen vor dem Krieg, doch kann ich nicht glauben, dass es dies noch nach dem Krieg geben hat. Ich hätte nicht gedacht, dass in der heutigen Zeit etwas noch so verborgen bleiben kann.
Können Sie mir eventuell helfen, das Rätsel der beigefügten Karte zu lösen?
Sind die Schiffsstempel Ihnen bekannt und handelt es sich dabei um das Schiff, auf dem Sie gefahren sind?
Was für ein Schifftyp war die MS Westfalen?
Auf welcher Route wurde sie eingesetzt?
Haben Sie eventuell ein Foto von dem Schiff?
Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören und verbleibe mit den besten Grüßen aus Bremen
Karl-Jochen Rummel
Foto: KJ Rummel
Paquebot-Karte von der MS "WESTFALEN" aus Veracruz/Mexico mit Briefmarken der Deutschen Post
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Nach eingehendem Studium des Briefes begann ich mit einer chronologischen Recherche. Anhand des Stempels
Schiffsleitung MS "Westfalen" gab es keinen Zweifel, dass es sich um ein Schiff von Stinnes handelte, und zwar die
"erste" Westfalen. Sie wurde am 23. Januar 1952 in Dienst gestellt, im November 1955 verkauft und am 17. Juli 1956 durch ein größeres Schiff gleichen Namens ersetzt.
Steckbrief der MS "WESTFALEN":
Technische Daten:
Stückgutfrachter
Gebaut 1952 bei Howaldtswerke AG, Hamburg Baunummer: 884
2.209/3.917 BRT bei 4.575/5.730 dtw
Länge: 108,72m / Breite:14,30
Antrieb: Zwei Wumag Viertakt Achtzylinder U-Bootsdieselmotoren über Vulkangetriebe 2.400 PSe
Geschwindigkeit: 13 Knoten
Rufzeichen: DMFZ / DHQT (warum 2 Rufzeichen ist mir unbekannt)
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MS "WESTFALEN"
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Chronik:
Gebaut für Hugo Stinnes Zweigniederlassung, Hamburg 1955 verkauft an K. Grammersdorf, Kiel unter "Heinrich Grammersdorf" 1968 an Reederei Nord, Hamburg unter "Nordpartner" 1972 verkauft an verschiedene Reedereien in Griechenland, Malediven und Panama 1980 in Karachi, Pakistan verschrottet
Mit freundlicher Genehmigung vom Verlag Gert Uwe Detlefsen Bad Segeberg aus dem Buch "Die Stinnes Reedereien"
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Nachdem ich alle Daten mit meinen Unterlagen verglichen hatte, stellte ich fest, dass es sich hier um die Jungfernreise des Schiffes handelte. Sie führte vom europäischen Kontinent im Liniendienst nach Cuba/Mexico. Das Seefahrtbuch meines Vaters bestätigte mir meine Vermutung, dass er zu jener Zeit als Leitender Ingenieur an Bord war.
Auszug aus dem Seefahrtbuch meines Vaters
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Nachdem ich alle wichtigen Informationen zusammengetragen hatte, leitete ich sie an Herrn Rummel weiter. Anschließend haben wir noch ein längeres - für beide Seiten sehr informatives - Telefongespräch geführt.
Hallo Herr Sander
Vielen Dank für die Fotos und Informationen der MS "Westfalen". Ich finde es sehr interessant, ein seltenes Zeugnis aus der Zeit der Verwendung der Karte bekommen zu haben. Es ist an Hand des Seefahrtsbuchs zu beweisen, dass der Schiffsstempel tatsächlich im Einsatz war und die Karte somit als echt anzusehen ist. Ein tolles Zeitzeugnis, welches nicht hoch genug einzuschätzen ist! Vielen Dank noch mal dafür.
Mit den besten Grüssen aus dem hohen Norden
Karl-Jochen Rummel
Jetzt noch eine Information in eigener Sache bezüglich der "alten" und "neuen" Westfalen:
Es ist schon etwas ungewöhnlich, die "alte" Westfalen hat meinen beruflichen Werdegang eingeleitet und mit der
"neuen"" Westfalen habe ich im August 1970 meine Seefahrtzeit als Leitender Ingenieur beendet.
Während meines letzten Schuljahres gab mir mein Vater zu verstehen, dass es an der Zeit sei sich Gedanken über den zukünftigen Beruf zu machen. Er sagte mir: "Du kannst werden was du willst, egal ob Friseur, Gärtner oder Techniker. Die Hauptsache ist, dass du Spaß an deinem Beruf hast". Ich überlegte nicht lange und antwortete ihm, dass ich auch Schiffsingenieur werden wolle. Daraufhin entschloss sich mein Vater, mich in den Sommerferien mit aufs Schiff zu nehmen, damit ich mir einen genauen Überblick über diesen Beruf verschaffen kann.
Wie versprochen habe ich mit meinem Vater eine Reise als sogenannter Passagier auf der "Westfalen" im Sommer 1952 angetreten. Die Reise ging von einer Werft in Hamburg durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Oulu in Finland.
Abschied von Hamburg
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Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal
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Mir wurde auf See im Maschinenraum alles gezeigt und erklärt. In Oula lagen wir auf Reede, um Props zu laden.
Auf Oulu-Reede
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Props im Schlepp
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Das Laden von Props
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Mit dem eigenen Rettungsboot wurde eine Landverbindung hergestellt. Der Motor des Bootes hatte aber seine Macken, so dass ich bei der Reparatur mit Hand anlegen durfte. Es machte mir alles riesigen Spaß.
Reparatur am Rettungsbootmotor. Mein Vater unten und ich oben im Bild.
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Der Höhepunkt meiner Reise war eine Zugfahrt nach Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands, und die Überquerung des Polarkreises.
Ein entgegenkommender Güterzug
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Lagerfeuer am Polarkreis. links meine Eltern, rechts Kapitänfamilie
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Vater und ich bei einer Bootsfahrt
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Polarkreis-Station in Rovaniemi
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Begegnung eines schwedischen Dreimastgaffelschoners
Auf der Rückfahrt von Finnland nach Rotterdam überquert uns im Nord-Ostsee-Kanal in luftiger Höhe ein Personenzug, gezogen von einer Dampflokomotive
Am Ende der Reise stand für mich unwiderruflich fest: Der Beruf meines Vaters sollte auch mein Beruf werden. Dieses Versprechen meinem Vater gegenüber habe ich dann konsequent umgesetzt.
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letztes update: 15. Oktober 2013
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