Marius damals
So fing es an,
meine erste Reise als "Assi" in der weltweiten Trampfahrt



Marius im Jahr 2012
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Erlebt und geschrieben von Marius Bunge, bearbeitet von Heidi und Ralf Sander

In der Seefahrt gibt es die Linienfahrt und die Trampfahrt. Die Linienfahrt ist - wie der Name schon sagt - ein Dienst, der in einem bestimmten Zeitplan im regelmäßigen Tournus ausgewählte Häfen anläuft. Man weiß im voraus immer, wo es hingeht und zu welcher Zeit man wo ist.
Die Trampfahrt läuft weltweit Häfen an, wo es gerade Ladung gibt. Es kann sein, dass das Schiff ein Jahr oder länger nicht nach Europa, geschweige denn nach Deutschland kommt.


Nach Beendigung meiner Lehrzeit als Maschinenschlosser sowie noch eine kurze Zeit als Geselle bei Klöckner Humboldt Deutz in Mainz und jahrelangem Träumen zur See zu fahren und die Welt kennen zu lernen, suchte ich über das Arbeitsamt in Mainz eine Anstellung auf einem Schiff. Als nach Monaten und nach vielem Nachfragen nichts geschah, setzte ich mich in einen Zug nach Hamburg und nahm die Dinge in meine Hand.

Nach meiner Ankunft in Hamburg ging ich direkt zum dortigen Arbeitsamt, wo ich freundlich und professionell beraten wurde. Also auf Grund meiner Maschinenschlosserlehre konnte ich als Ingenieur Assistent anmustern, das heißt, das wäre der Rang eines Unteroffiziers und ich würde mit den Offizieren in einer Messe essen, erklärte er mir und benötigte, da ich zu dieser Zeit mit 19 Jahren noch nicht volljährig war, eine schriftliche Einverständnis-Erklärung meines Vaters, dass ich zur See fahren dürfte, dann sollte ich wiederkommen. Vorher schickte er mich noch mit einem Schreiben zur See-Berufsgenossenschaft, wo ich nach gründlicher Untersuchung ein Seediensttauglichkeitszeugnis und eine Gesundheitskarte erhielt. Zufrieden fuhr ich nach Ingelheim, meinem Wohn- und Geburtsort zurück. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, als Reiniger anzumustern.


Wichtige Dokumente: Seediensttauglichkeitszeugnis und Gesundheitskarte

Gesagt, getan, am 17. August 1965 erschien ich in aller Frühe wieder auf dem Hamburger Arbeitsamt. Der gleiche Beamte fragte mich, welches Fahrtgebiet mir lieb wäre. Ich stellte keine besondere Ansprüche. Er hatte ein Schiff nach Afrika und sofort sage ich begeistert zu, worauf er mit einer Reederei telefonierte und nachdem diese zusagte, erklärte er mir, wie ich dort hinkomme. Es war die Reederei Bernhard Schulte Hamburg, Vorsetzen 54. Der Maschineninspektor, der sich meine Papiere ansah und einige Fragen stellte, schickte mich mit einem Heuerschein mit dem Schiffsnamen M/S „ELISABETH HENRIETTE SCHULTE“ auf das Seemannsamt in der Katharinenstrasse, wo mir ein Seefahrtsbuch ausgestellt wurde. Als ich zurück kam, drückte mir der Inspektor eine Bahnkarte in die Hand mit der Bemerkung, du fährst sofort nach Emden und siehst zu, dass du den nächsten Zug nimmst, das Schiff läuft heute noch aus. Sofort hetzte ich zum Bahnhof und fuhr kurz darauf nach Leer, wo ich umsteigen musste und einen längeren Aufenthalt hatte, was mir Sorgen bereitete, ich könnte das Schiff verpassen. In Emden angekommen, sprang ich in ein Taxi und zeigte dem Fahrer den Heuerschein mit rotgeschriebener Adresse des Liegeplatzes und bat, schnell zu fahren damit ich das Schiff nicht verpasse.


Mein erster Heuerschein

Der Fahrer meinte gelassen, keine Eile, das Schiff liegt im Trockendock und läuft noch lange nicht aus. Ich wusste nicht, was ein Trockendock war!

M/S "Elisabeth Henriette Schulte"

Reederei Bernhard Schulte, Hamburg
Frachtschiff
Flagge: Deutschland
Bauwerft: Paul Lindenau Schiffswerft in Kiel-Friedrichsort
Baujahr: 1961
Baunummer: 119
Tragfähigkeit: als Shelterdecker 2935 tdw
Tragfähigkeit: als Volldecker 4300 tdw
Länge: 85,00 m
Breite: 14,00 m
1 MAN 6 Zyl. Viertaktmotor 2250 PSe bei 230 Upm
Geschwindigkeit: 13,4 Knoten
Besatzung: 21 Mann
Unterscheidungssignal: DGFL


Am ersten Tag erklärte mir der 3. Ing. die Maschinenanlage und ich kam mir, da ich überhaupt keine Ahnung hatte, ziemlich blöde vor. Nach Feierabend saß ich mit einem Matrosen zusammen und wir unterhielten uns. Als ich meinte, das Schiff fährt nach Afrika, lachte er und sagte, es sei noch nicht bekannt wo die Reise hingeht, aber er vermutete in die Karibik und schwärmte von den dortigen Häfen und vor allem von den schönen Frauen. Ich war begeistert und konnte das Auslaufen kaum erwarten. Es dauerte allerdings noch 12 Tage, bis wir ausliefen.

Am nächsten Tag musterte ein zweiter Matrose an. Abends saßen wir zusammen und ich hörte den hochinteressanten Seemannsgeschichten zu. Am Wochenende fragte ich, ob wir an Land gehen, die beiden Matrosen verneinten, da es noch keinen Vorschuss gab. Kein Problem, ich habe noch etwas Geld, meinte ich ganz selbstverständlich und schon gingen wir an Land. Ich dachte, etwas von Emden kennen zu lernen, aber im ersten Gasthaus kehrten wir ein und am nächsten Morgen hatte ich meinen ersten Kater. Durch diesen von mir finanzierten Landgang hatte ich die Anerkennung der Matrosen gewonnen, was mir später sehr nützlich war. Als ein anderes Mannschaftsmitglied mir was wollte, kamen diese muskulösen Matrosen mir zur Hilfe,denn "den Assi fasst keiner an!"

Am 29.8. liefen wir von Emden zum Laden nach Hamburg aus. Eine Charter für HAPAG in die Karibik, mein Freund der Matrose hatte zu meiner großen Freude recht. Während der Werftzeit konnte ich viel lernen und war schon etwas mit der Maschinenanlage vertraut, es kam noch ein zweiter Assi und ein Schmierer an Bord, wir gingen drei Wachen und ich als unbefahrener Assi bekam die Hundewache von 0 bis 4 mit dem neuen 3.Ing., ein guter Mann, mit dem ich ausgezeichnet auskam. Der Schornstein wurde mit den HAPAG Farben umgemalt und liefen am 31.8. in Hamburg ein und am selben Tag wieder aus, das gleiche am 1.9. in Bremen.

In Antwerpen liefen wir am 4. ein und am 6. aus, so hatte ich Zeit, an Land zu gehen und diese schöne Stadt zu besichtigen. Bald nach Auslaufen Antwerpen nach San Juan, Puerto Rico hatten wir schlechtes Wetter. Ich wurde seekrank und kotzte wie nie in meinem Leben zuvor. Es gab kein Bedauern, nur gute Ratschläge, wie z. B. ein Stück Speck am Faden herunterschlucken und wieder hochziehen oder wenn ich einen braunen Ring kotze, den müsste ich ihn wieder herunterschlucken. Ich bereute es, auf einem Schiff eingestiegen zu sein.

Doch später ging es mir wieder besser, ich hatte mich an das Rollen und Stampfen des Schiffes gewöhnt und nach einer abenteuerlichen Nacht in Puerto Rico, wo wir am 20.9. einliefen und eine Nacht lagen, hatte ich schon fast alles vergessen. Am 23. erreichten wir La Guaira, Venezuela. Dort wurde ein Kolben gezogen und weitere Arbeiten fielen an, es wurde die Nacht durchgearbeitet und der Chief (Leitender Ing.) meinte, dann könnte ich am nächsten Tag auch nach Caracas fahren. Das musste er mir nicht zweimal sagen. Ich war von dieser Stadt sehr beeindruckt.

Vom 25 bis 27. lagen wir in Puerto Cabello, wo ich mein erstes Bootsmanöver mitmachte. Das Rettungsboot wurde zu Wasser gelassen, wir machten einige Übungen und der zweite Offizier, der das Manöver leitete, sagte: " Lasst uns raus zum Strand rudern". Dort angekommen, waren die Wellen so stark, dass das Boot fasst strandete. Nur dadurch, dass einige mit mir ins Wasser sprangen und das Boot schoben, während die anderen ruderten, kam das Boot aus der Brandung und die Mannschaft im Boot konnte wieder zurückrudern, während wir, der Funker, ein Matrose, ein Reiniger und ich es nicht mehr schafften einzusteigen. Der 2. Offizier war froh, dass er nicht gestrandet war und brüllte: "Geht zu Fuß zum Hafen zurück!!" Wir blieben noch eine Weile und genossen den Strand.

Nun war es zu dieser Zeit in Venezuela verboten, in kurzen Hosen oder ohne Hemd herum zu laufen. Das war uns zwar bekannt, aber wir hatten keine andere Wahl, als zum Hafen zu gehen. An einer Straßenecke standen zwei Polizisten, die sich sofort umdrehten, als sie uns sahen. Aber als wir zum Hafentor kamen, gab es große Probleme und es wurde uns Verhaftung angedroht. Nur dadurch, dass der Funker gut spanisch sprach und alles erklären konnte, entgingen wir einer Verhaftung. An Bord gab es wieder was zu erzählen.

Danach am 28. in Aruba und am 29. in Maracaibo liefen wir am selben Tag ein und aus. Am 1. Oktober fuhren wir den Rio Magdalena hoch nach Barranquilla in Kolumbien, wo wir eine Nacht hatten. Aber was das für eine Nacht war, hatte ich mir in meinem bisherigen Leben nicht erträumen lassen. Hinzu kam, dass Kolumbien eines der billigsten Länder der Welt war.

Am nächsten Tag liefen wir nach Santa Marta aus, wo nur einige Stunden gelöscht wurde und es gleich weiter ging nach Puerto Limon, Costa Rica, unserem letzten Löschhafen. Dort am 4. angekommen, erfuhren wir, dass wir an derselben Pier Zucker für New York laden sollten, der in Säcken an Bord kam, die dann aufgeschlitzt und der Zucker in die Luke geschüttet wurde. Puerto Limon ist ein Schwellhafen, wo das Schiff ewig rollte und öfters die Leinen rissen, man musste auf einer Treppe an Land stehen und wenn die Gangway auf eine Höhe kam, springen, was nach den Cuba Libres, die man getankt hatte, ein gefährliches Unternehmen war.

Puerto Limon war bei Seeleuten ein beliebter Hafen. Gleich hinter dem Hafentor befindet sich der Parque Vargas und gegenüber die „American Bar“, offen mit Blick auf den Park, wo man Faultiere beobachten kann. In dieser Bar traf sich alles, Geschäftsleute, Agenten, Kapitäne, Seeleute, Touristen aus San Jose und natürlich leichte Mädchen. Es ist schön, dort zu sitzen, etwas zu trinken und das Treiben zu beobachten. Zwei Ecken weiter war die „"Oasis",“ eine Seemannsbar in der überwiegend deutsche Musik zu hören war. Ich erinnere mich, als ich diese Bar zum ersten Mal besuchte, spielte gerade das Lied „"Ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß", gesungen“ von Roy Black.

Eine Ecke weiter befand sich die bei den Seeleuten ebenso beliebte „Portuguesa Bar“. Die hübschen Mädchen, die man dort antraf, kamen überwiegend aus der Hauptstadt San Jose, und im South Amerika Handbuch kann man nachlesen, dass dort die attraktivsten Frauen der Welt leben. Der Überfluss von hübschen Mädchen dort ist bemerkenswert. Damals habe ich mir in meinen schönsten Träumen nicht vorstellen können, dass ich eines Tages dort leben werde und kann obiges nur bestätigen.

Nach 7 Tagen liefen wir am 11. Oktober aus und kamen am 19. in New York an. Nach dem Auslaufen hatte ich viel Schlaf nachzuholen, aber erfreulicherweise wurde ich auf die Chief Wache von 8 – 12 versetzt. Es war die angenehmste Wache. Außerdem war der Chief nur kurze Zeit unten im Maschinenraum und mir gefiel die Verantwortung, die mir auferlegt war. Eines Tages kam der Chief nach meiner Wache und meinte, ich sollte Pauschale abarbeiten und im Maschinenraum Farbe waschen. Ich hatte nichts dagegen, nach der Wache Reparaturen oder sonstige Facharbeiten auszuführen, aber Farbe waschen und die Bemerkung "Pauschale abarbeiten" stieß mir schlecht auf. So antwortete ich, er könne mich ruhig schikanieren, das würde mir nichts ausmachen. Worauf er beleidigt meinte, es sei keine Schikane. Jedenfalls beauftragte er mich nie wieder mit solcher Arbeit.

Auf See war es vor Hitze in meiner Kammer kaum auszuhalten, es gab keinen Ventilator. Wenn das Schiff abgeladen war, (volle Ladung hatte) lag das einzige Bullauge nur wenig über der Wasserlinie und bei der kleinsten Dünung rollte das Schiff und jedes Mal kam eine Ladung Seewasser in die Kammer.

Das Einlaufen in New York vor der Freiheitsstatue, wo wir einen Tag vor Reede lagen und dann Manhattan mit den Wolkenkratzern machte auf mich einen großen Eindruck. Wir löschten an der Domino Sugar Pier und ich ging mit dem Funker, mit dem ich seit Kolumbien eng befreundet war, an Land. Er kannte New York. Wir schlenderten über den Broadway, sahen die Wall Street und fuhren zur Aussichtsplattform des Empire State Building mit einem herrlichen Ausblick auf Manhattan und Liberty Island.

Wir warteten alle auf eine Nachricht, was der nächste Hafen sein sollte und endlich bekamen wir die Information: Buenos Aires mit Bunkerstop in Port of Spain, Trinidad, um Getreide für die Komoren zu laden. Und diese Reise im Ballast mit dem kleinen Schiff. Am 22.10. liefen wir von New York aus, bunkerten am 29. in Trinidad, jedoch ohne die Möglichkeit, an Land gehen zu können und erreichten Reede im Rio de la Plata am 14. November. Das waren 23 Tage auf See mit vielen Rückblicken nach Puerto Limon. Als wir den Ecuador überquerten, gab es keine Taufe.

Einige Tage vor Einlaufen am 15.11 in Buenos Aires fragte ich den Koch, ob er mir die Haare schneiden könnte. Er war der Frisör an Bord und hatte mir schon einmal einigermaßen die Haare geschnitten, aber als ich dieses Mal in den Spiegel sah, war ich entsetzt, wie er mich geschoren hatte. Ich teilte ihm mit, dass ich auch Haare schneiden könne, da ein Freund von mir Friseur sei und es mir beigebracht habe. Der Koch fragte, ob ich ihm hinten nur das Genick etwas ausputzen könnte und sofort machte ich mich sofort daran. Zuerst versuchte ich auch, eine saubere Arbeit zu leisten, aber da ich noch niemals Haare geschnitten hatte, gelang es mir natürlich nicht. Nun schnitt ich ihm ein umgedrehtes U in den Nacken, was er aber im Spiegel nicht sehen konnte. Er fuhr mit der Hand über den Nacken und bekam Bedenken, aber ich versicherte ihm, es sähe gut aus. Das geschah am Abend.

Als am nächsten Morgen der erste Matrose an der Kombüse vorbei kam und sagte "moin Chef", stutzte er und fragte: "Was hast du denn mit deinen Haaren gemacht?" Der Koch antwortete erschrocken: " Wieso, der Assi hat mir hinten die Haare geschnitten!" Alles lachte über ihn und nicht über mich. Der zweite Ing. kam sogar zu mir und meinte, das hätte ich gut gemacht. Dazu muss ich allerdings sagen, dass mit der Zeit das Essen an Bord immer schlechter wurde und inzwischen miserabel war, der Koch sich also sehr unbeliebt gemacht hatte.

In Argentinien war Sommer und wir hatten immer schönes Wetter. Meine kurzen Haare hielten mich nicht davon ab, an Land zu gehen. Ich liebte Buenos Aires, diese bezaubernde europäisch wirkende Stadt mit den breiten Straßen, der U-Bahn und den höflichen, gut gekleideten Menschen. Der Fußweg vom Hafen ging über die berühmte "25 de Mayo", eine Straße mit einer Bar neben der anderen.


Argentinischer Landgangsausweis

Ich würde mich selbst als Landgänger beschreiben und verbrachte nicht viel Freizeit an Bord. Eines Tages bei einem Bummel auf dem "Boulevard 9 de Julio", der breitesten Straße der Welt, sprach mich eine Dame an. Wir verständigten uns ziemlich gut. Sie wusste wohl, dass ich Seemann war und als ich auf ihre Frage antwortete, dass ich "Aleman" sei, strahlte sie. Deutsche waren in Südamerika sehr beliebt. Auf ihren Vorschlag hin gingen wir in ein Cafe um etwas zu trinken. Später nahm mich Irma del Carmen - es war ihr schöner Name - an die Hand und führte mich in ein Hotel. Es war Liebe auf den ersten Blick. Irma war Lehrerin und wir sahen uns so oft wie möglich.

An einem Sonntag fuhren wir mit der Bahn nach Mar del Plata an den Strand. Am 25.11. - der letzte Tag vor dem Auslaufen - machten wir uns gegenseitig ein Geschenk. Sie übergab mir einen schwarzen Stoffhund, den ich heute noch besitze. Wir schrieben uns noch eine Weile und als ich 1970 wieder nach Buenos Aires kam, versuchte ich erfolglos, Irma zu finden. Das ist das Seemannslos!

Wo die Komoren waren, musste ich erst im Atlas suchen. Am 12. Dezember bunkerten wir in Durban und ankerten am 17. vor Moroni. Es wurde vor Reede gelöscht, das Getreide wurde von Einheimischen in Säcke gefüllt, die zugenäht wurden und auf hölzerne Schiffe gehievt, die längsseits lagen. Die Schiffe fuhren dicht zum Strand, ankerten dort und Einheimische trugen auf ihren Köpfen die Säcke an Land.

Mit dem Funker fuhr ich einmal mit einem dieser hölzernen Schiffe an Land und wir gingen zu dem Kral, in dem es außer einigen Hütten nichts gab. Einige Frauen, die uns sahen, liefen schnell davon. Es gab auf der Insel nur einen Weißen. Es handelte sich um einen französischen Missionar, der uns auf unserem Schiff besuchte.

Am 20. hievten wir Anker, um zur Nachbarinsel Mutzomudo zu fahren, wo wir am nächsten Tag ankamen, um auf ähnliche Weise zu löschen. Danach ging es nach Zaudzi, wo wir am 23. verholten und dort auch den Heiligabend verbrachten. Es gab ein Saufgelage.

Am 25. um 08:15 liefen wir im Ballast nach Chalna/Ost- Pakistan aus, das heutige Bangladesch, wo wir am 6. Januar 1966 auf dem Fluss ankerten. Irgendwann auf hoher See wurdege gen Mitternacht der Messesteward Bernd Nürnberg nach einem feuchten Gelage vermisst. Das ganze Schiff wurde durchsucht, aber er war nicht aufzufinden. Es gab Alarm "Mann über Bord, die gesamte Mannschafft an Deck". Es wurde eine Boje ausgeworfen und das Schiff drehte um.

Ich stand auf der Brücke, um angestrengt in der Dunkelheit das Wasser abzusuchen. Kapitän Oswald Brockhoff, den man aus seinem Schlaf geholt hatte, war fürchterlich sauer über diesen Vorfall und als ich erwähnte, dass der Steward nicht schwimmen kann, brüllte er „dann brauchen wir ja erst gar nicht umzudrehen“.

Nach etwa einer halben Stunde Suche erschien plötzlich der besoffene Steward und murmelte, ich lasse mich nicht einsperren. Es stellte sich heraus, dass der Chiefsteward - selbst nicht ganz nüchtern - bevor er schlafen ging, den betrunkenen Steward im Hospital in die Koje gelegt und die Tür abgeschlossen hat, damit der Stewart keinen Blödsinn machen konnte. Er kletterte durch das Fenster an Deck, als er aus seinem Rausch erwachte. Es gab für längere Zeit auf Anordnung des Kapitäns für alle Alkoholverbot.

Bernd Nürnberg war der Sohn des berühmten Boxers Nürnberg, dem Besitzer der Kneipe „Der Goldene Handschuh“ in Sankt Pauli. Die „Elisabeth Henriette Schulte“ war das einzige Schiff, auf dem Bernd fuhr, danach arbeitete er in Vaters Kneipe, wo ich ihn manchmal besuchte.

In Chalna nahmen wir Ladung am Anker von Barkassen. Das Schiff war umringt von kleinen Booten mit kinderreichen Familien, die bettelten. Es war für uns ein trauriger Anblick und wir gaben ihnen alles, was wir an Kleidung entbehren konnten.

Am 9. Januar war mein 20. Geburtstag und wir feierten abends in der Offiziersmesse. Der Kapitän hatte mir zu diesem Anlass, trotz Alkoholverbot, einige Kisten Bier genehmigt, was bei der Mannschaft gut ankam.

Am 17. hievten wir Anker, um in Karachi/Ost-Pakistan - dem heutigen Pakistan - zusätzliche Ladung zu nehmen. Auf dem Weg bunkerten wir am 21. in Colombo/Ceylon - dem heutigen Sri Lanka.

Seit Auslaufen Chalna war ich sechs Monate an Bord und somit befahrener Ing. Assistent. Erfreulich, denn es bedeutete eine bessere Heuer.

Am 26. liefen wir in Karachi ein und noch am selben Tag aus Richtung Suez mit Bunkerstop am 31. in Aden, wo wir vor Anker bunkerten. Das Schiff war voller Händler, die alle möglichen Waren verkauften. Ich erstand einen Zenith Weltempfänger und jeder kaufte sich etwas, da alle ziemliches Guthaben hatten, weil wir seit Buenos Aires kein Geld mehr ausgeben konnten.

Am 5. Februar erreichten wir Suez und dann passierten wir den Kanal, für mich das einzige Mal, da der Suezkanal später für lange Zeit nicht zu passieren war und ich deswegen desöfteren um das Kap der guten Hoffnung fahren musste.

Am 7. verließen wir Port Said Richtung St. John, Kanada. Gleich nach Auslaufen hatten wir schlechtes Wetter, das Mittelmeer im Winter kann auch ziemlich stürmisch sein. Hinzu kam, dass der Chief Steward in Aden ein ganz großes Geschäft gemacht hatte, indem er den größten Teil unserer Kantine an die Händler verkauft hat. Nun gab es weder Alkohol noch Zigaretten, was die Raucher, milde gesagt, nervös machte.

Es ging durch die Straße von Gibraltar. Im Nordatlantik hatten wir bis nach St. John mit einem fürchterlichen Sturm zu kämpfen. Man schlief nur aufgrund von Übermüdung. Der Koch konnte kaum kochen, es gab jeden Tag Eintopf, allerdings abwechselnd einen Tag mittags, den nächsten abends. Glücklicherweise hatte ich meinen Weltempfänger, man konnte ja seit Port Said nicht an Deck gehen.

Im Maschinenraum, wo es in den Tropen so heiß war, hatten wir nun unangenehme Kälte. Bald wurde das Frischwasser rationiert und später ganz abgestellt. Diese Reise war die reine Hölle.

Eines Tages fragte der Kapitän uns Assis und den Schmierer, ob wir Interesse daran hätten, in Kanada auf ein größeres Schiff der Reederei anzumustern, Fahrtgebiet Süd-Amerika. Wir sagten alle sofort zu.

Am 2. März liefen wir abends bei eisiger Kälte und nach 35 Tagen seit Auslaufen Karachi in St. John ein. Letzter Landgang war Moroni, wo wir am 20.12.1965 ausliefen, das macht 72 Tage ohne Landgang.

Ich hatte keine Winterkleidung an Bord und zog mir alles Mögliche an, darüber einen schwarzen Regenmantel und rannte die Gangway hinunter zu einem kleinen Restaurant, das direkt dem Hafen gegenüber lag. Als ich eintrat, wurde ich etwas erstaunt angeschaut. Nach meiner riesigen Bestellung fragte mich die Bedienung "zum Mitnehmen", was ich jedoch verneinte. Natürlich musste ich dann die ganze Story erzählen, warum ich einen solchen Heißhunger hatte. Inzwischen erschienen noch einige Bordkameraden und wir waren das Hauptgespräch in dem Restaurant.

Am 5. März kam der Kapitän zu mir und sagte: Assi pack deinen Koffer, morgen geht’s nach Halifax, anmustern auf der „LiSSY SCHULTE".

Abmustern von der M/S "Elisabeth Henriette Schulte" in St. John


Mein erstes Dienstzeugnis

Die anderen kamen nicht mit, der Reiniger wurde zum Schmierer befördert und musste dann auch Wache gehen, der 1. Offizier Hecht wurde zum Kapitän befördert und am nächsten Morgen wurden Kapitän Brockhoff und ich vom Agenten abgeholt. Wir fuhren zu meinem Erstaunen zum Flughafen. Ich hatte eher mit einer Bahnfahrt gerechnet. Eine Propellermaschine von Air Canada flog uns nach Halifax. Es war mein erster Flug.

An diesem 6. März musterte ich auf dem M/S „LISSY SCHULTE“ an, das Flaggschiff der Reederei, für mich ein großes, schönes Schiff. Die Offiziere und Mannschaft machten auf mich einen guten Eindruck, das Essen kam mir vor wie in einem Gourmet- Restaurant. Die Aufbauten und die großzügige Maschinenanlage befanden sich Mittschiff.


Am 22.9.1968 ist die "Elisabeth Henriette Schulte" auf der Reise von Bremen nach Chicago 49.57 N/60.30W bei Cap Whittle im St. Lorenz Strom aufgelaufen. Sie kam aber später mit eigener Kraft wieder frei. Sie wurde jedoch noch am gleichen Tag aufgrund von Leckagen in allen Laderäumen vor Anticosti Island von der Besatzung aufgegeben. Sie sank 60 Seemeilen nordöstlich von Anticosti in über 160 Meter Wassertiefe. Der wachhabende 1. Offizier wurde schuldig und der Kapitän mitschuldig gesprochen. Wie ich hörte war es Kapitän Hecht.



M/S "Lissy Schulte" ex "Luise Bornhofen"

Das Schiff wurde am 6. 10. 1956 als "Luise Bornhafen" der Robert Bornhofen-Reederei in Hamburg übergeben. Am 5.12.1964 wurde es an die Reederei Bernhard Schulte in Hamburg verkauft und in "Lissy Schulte" umbenannt.
Frachtschiff
Flagge: Deutschland
Bauwerft: Elsflether Werft AG, Elsfleth
Baujahr: 1956
Baunummer: 304
Länge über ales: 109,80 m
Breite auf Spanten: 16,06 m
Tragfaehigkeit: 4986 BRT/7519 tdw
Geschwindigkeit: 14 Knoten
Besatzung: 27 Mann
6 Passagiere
Rufzeichen: DIMW
Maschinenantrieb: 2 MAN Viertakt Neun Zylinder - Motoren mit zusammen 3600 PSe


Am 8. März liefen wir aus und nahmen einen Tag später in Searsport etwas Ladung. Als wir Floridas Küste herunterfuhren, wurde es langsam wieder wärmer. Am 14. machten wir im Hafen von Miami fest. Ich ging an Land durch die Stadt spazieren, in der es 1966 noch keine Hochhäuser gab, kaufte etwas ein und aß einen Bananensplit.

Am nächsten Tag liefen wir nach Santa Marta, Kolumbien aus. Wir waren von der Gran Columbiana gechartert und ich ging seit meiner Anmusterung die Chiefwache mit allen Privilegien. In der Karibik war gutes Wetter und die Stimmung an Bord hoch. Am 19. liefen wir in der Touristenstadt Santa Marta ein und lagen direkt an der Touristenpromenade. Endlich befand ich mich wieder in Süd-Amerika! Am nächsten Tag Auslaufen und Einlaufen Barranquilla, wo ich eine nette Freundin hatte.


Maria Victoria am Hotel EL Prado


Am 22. Auslaufen und Einlaufen Cartagena, der schönen, im Kolonialstil erbauten Stadt. Im El Príncipe gab es eine gute Show mit exotischen Frauen.

Rocio eine der vielen huebschen Kolumbianerinnen aus Medellin, mit ihren Eltern auf Besuch in Santa Marta, die LISSY SCHULTE besichtigten und mit der sich eine tiefe Freundschaft entwickelte.



Am 23. Auslaufen Cartagena und am 24. Einlaufen Cristobal, dem Hafen in der Kanalzone der USA in Panama.

Die Freiwache verbrachte ich an Land in Colon. Diese panamaische Stadt liegt gleich außerhalb vom Hafen Cristobal. Am nächsten Tag passierten wir den Panama Kanal mit seinen riesigen Schleusen, durch den Gatun Stausee und nach der Mira Flores Schleuse unter der neuen Brücke „Puente de Americas“ durch. Daraufhin waren wir bald auf offener See im Pazifik.


Im Panama-Kanal, rechtes Bild unser Chief-Steward



Der Schmierer und ich


Am 27. März liefen wir in dem sagenhaften Buenaventura ein, von dem alle Seeleute schwärmten. Dort lagen wir bis zum 2. April, wir hatten also sieben Tage Zeit, um uns richtig auszutoben. Vom Hafen kann man alles zu Fuß erreichen. Im Ort liegt ein Hügel, der "La Pilota" genannt wird, aber bei den deutschen Seeleuten war es "Schanker Hill". Hier befand sich eine Bar neben der anderen, voll mit Mädchen, von denen viele aus Cali kamen. Dieser Ort war berühmt für die schönsten Frauen in Kolumbien. Hans Münz, ein deutscher Ex- Bootsmann, hatte sich dort niedergelassen und führte eine Bar, die wir gern besuchten. Jahre später war er Schiffshändler in Buenaventura.

Mambo Bar in Barranquilla


Vom 3. Bis 7. ankerten wir in der Bucht von Bahia de Caraquez/Ecuador, ein angenehmer und ruhiger Ort.

Von dort ging es wieder über den Äquator, erneut aus Zeitgründen ohne Taufe. Erst im Oktober des folgenden Jahres bei der Überquerung meines nächsten Schiffes, der „MONSUN“ von Hugo Stinnes, wurde ich getauft.

Am 8. und 9. lagen wir an der Pier von Guayaquil, dem berühmten Bananenhafen mit dem schönen Park und den vielen Kolonialbauten.

Am 11. Ein- und Auslaufen Chimbote, Peru und am 12. Einlaufen Callao, dem Hafen von Lima, der Hauptstadt von Peru. In Callao regnet es so gut wie nie und in der ärmeren Wohngegend haben die Häuser keine Dächer. Selbstverständlich gab es dort ein Seemannsviertel mit Hafenkneipen, in denen wir uns gerne aufhielten.

Am 18. liefen wir aus und erreichten Tumaco, ein kleiner Hafen im südlichen Urwald von Kolumbien. Dort gab es nur eine Kneipe mit Fenstern ohne Glas, nur Fliegendraht. Der Name „Lissy Schulte Bar“ war groß angeschrieben.

Richtig, die Bar war innen und außen sauber gemalt und innen hing ein Rettungsring von der Lissy Schulte. Das war ein Werk der Matrosen von vergangenen Reisen.

Wieder ging es durch den Panama Kanal in die Karibik und den Mississippi hoch nach New Orleans, Einlaufen am 29., Auslaufen am 30. Natürlich ging ich an Land. Bei Woolworth in der Canal Street aß ich einen Bananensplit, mehr wollte ich mir bei dem damaligen Wechselkurs nicht leisten. Dann spazierte ich durch die Bourbon Street und das French Quarter. Dort sah ich, wie unser Bootsmann betrunken aus einer Bar taumelte und Frauen ihn schimpfend mit Flaschen bearbeiteten. Die Polizei war sofort zur Stelle und lochte ihn ein. Leider konnte ich ihm nicht helfen.

Am nächsten Tag vor Auslaufen wurde er von der Polizei an Bord gebracht, nach seiner Aussage hatte er nur einer dieser Damen an den Busen gegriffen.

Am 2. Mai gingen wir vor Port Arthur in Texas vor Anker. Am 12. ging es an die Pier, um ein schwarzes Pulver in Bulk zu laden. Ich kann mich nicht erinnern, um was für eine Ladung es sich handelte, jedenfalls war überall feiner schwarzer Staub. Die Ladung war für Sundsvall in Nordschweden bestimmt.

Am 12. liefen wir aus und nach zwei Tagen hatten wir Abgasturbinenschaden an der Stb Hauptmaschine. Der schwarze Staub der Ladung hatte sich in die Lager der hochtourigen Turbine gesetzt. Wir arbeiteten die ganze Nacht durch, um die Turbine blind zu setzen und mit reduzierten Umdrehungen weiterzufahren. Kurz darauf passierte dasselbe mit der Bb Maschine.

Am 3. Juni kamen wir in Sundsvall an. Auf Reedereiorder nahmen wir nicht den kürzeren Weg durch den Kielkanal, damit keiner von der Mannschaft dort abmustern konnte, sondern wir fuhren den längeren Weg durch das Skagerrak. Sundsvall war ein idyllischer Ort und kurz vor Mittsommer wurde es nie richtig dunkel.

Nach dem Löschen liefen wir nach Hamburg aus und kamen bei schönstem Wetter nach Revierfahrt die Elbe hoch im Hamburger Hafen am Sonntag dem 12.Juni 1966 an. Es war für mich ein Gefühl, was ich nicht beschreiben kann. Am 15. musterte ich ab und fuhr sofort mit der Bahn nach Ingelheim, glücklich, nach 9 Monaten und 26 Tagen wieder zu Hause zu sein. Doch schon am 1. August fuhr ich wieder nach Hamburg, unterschrieb am 3. den Heuerschein, um am 10. nach Montreal zu fliegen und auf der „MONSUN“ anzumustern.



letztes update: 30. August 2013
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