Prolog
Ende des zweiten Weltkrieges wuchs ich in Hitzacker an der Elbe bei meinen Großeltern auf, da wir in Bremen ausgebombt waren. Mein Opa war in dem Elbestädtchen Strommeister beim Wasser- und Schifffahrtsamt. Sie wohnten im Zollhaus, ein 1589 gebautes Fachwerkhaus.
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Karl und Marie Ziege - Oma und Opa mütterlicherseits
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Auf dieser Seite des Zollhauses haben wir im Erdgeschoss gewohnt
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Zollhaus, erbaut 1589 rechts der Backsteinanbau war im Krieg abgebrannt
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Heute ist im Zollhaus ein Museum untergebracht Die Räumlichkeiten mit den beiden Fenstern links gehörten zu unserer Wohnung
Ein Klick auf das Bild und schon ist man im Museum Altes Zollhaus Hitzacker
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Hinter dem Haus befand sich eine Waschküche mit einem großen Bottich und Warmwasserspeicher, die mit Holz oder Kohle beheizt werden konnten. Der Bottich diente vorwiegend zum Kochen von Wäsche, aber auch zum Kochen und Eindicken von Pflaumenmus oder Zuckerrübensirup sowie zum Garen von Schlachtgut. Das Boilerwasser war für eine dort installierte Badewanne gedacht. In der Küche gab es nur ein Spülbecken mit Kaltwasser.
So wurde ich früher in der Küche gebadet.
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Quelle: ebay
Das Badewasser wurde auf einem Roeder-Holz/Kohle-Herd aufgewärmt.
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Außerdem befanden sich dort Plumpsklos, Schweineställe, Stallungen zum Lagern für Holz, Kohle und Gerätschaften und die Tischlerei meines Opas. Es war besonders aufregend, wenn man des Nachts mit einer Kerze in der Hand zum Klo musste, überall raschelten und quiekten die Ratten.
In den Kriegsjahren wurde hinter dem Haus auf der abgedeckten Jauchekuhle gespielt. ... waren wir Kinder damals unzufriedenen als die Generation heute?
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Eine Schaukel war am Eingang zu den Plumpsklos und den Stallungen angebracht.
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Auf der Ostseite des Gebäudes, direkt unter dem Giebel, gab es eine Räucherei für Schinken und Würste der Hausschlachtungen. Auf dem Gelände des abgebrannten Anbaus wurden Kaninchen, Hühner und Gänse gehalten.
Vor dem großen Brand war der Hof des Zollhauses durch ein großes Tor mit der Hauptstraße verbunden. Den Roller hat mein Opa für mich gefertigt.
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Das Zollhaus war halb unterkellert und diente als Lager für eingewecktes Obst und Gemüse sowie selbstgemachtes Sauerkraut. Für die Schlachterzeugnisse wurden Konservendosen verwendet. Die wiederverwendbaren Dosen wurden bei der Klempnerei Bergmann aufgearbeitet und verschlossen. Kühlschränke kamen erst Jahre später auf den Markt. Im Krieg diente der Keller als Luftschutzbunker, denn die in unmittelbarer Nähe liegenden unterirdischen WIFO Tanklager waren wiederholtes Angriffsziel der Alliierten. Wir befanden uns mal wieder zum Schutz der Luftangriffe im Keller als ein Treffer ein Nachbarhaus in der Hauptstraße zerstörte. Greise, Mütter und Kinder fingen an zu Schreien als das Zollhaus bebte und der Putz von den Decken rieselte - Scheiß-Krieg kann ich nur sagen!
Zur damaligen Zeit gab es auch schon Hochwasser, das die Altstadt unter Wasser setzte. Das geschah meist im Frühjahr nach der Schneeschmelze. Die Kellerfenster wurden rechtzeitig zugemauert und auf den Gehwegen wurden erhöhte Laufstege montiert.
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Unweit des Zollhauses besaßen meine Großeltern väterlicherseits - Wilhelm und Mathilde Sander - dieses Haus in der Elbstraße. Er war Malermeister. Sie konnten uns nicht aufnehmen, da dort schon andere Flüchtlinge untergebracht waren.
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Eine kleine Anekdote zum Heimatmuseum:
Meine Oma – meine anderen Großelternteile waren zwischenzeitlich verstorben - hatte einen Garten in Hitzacker oben auf dem Langen Berg. An einem Spätsommertag buddelte ich mir heimlich mitten im Maisfeld ein von außen nicht einsehbares Erdloch als Höhle. Bei diesen Erdarbeiten fand ich seltsame Tonscherben. Ich zeigte sie dem Lehrer Altermann, der im Nachbargarten arbeitete. Er betrachtete die Scherben von allen Seiten und meinte, dass die sehr alt und kostbar sein könnten und behielt ein Stück. Für mich war die Sache – so dachte ich – erledigt. Es dauerte nicht lange, da kam der Schuldirektor Dr. Honig zu mir und fragte mich ganz gezielt nach meinem Fund aus, denn Herr Altermann hatte ohne mein Wissen die Scherben weitergegeben. Der Schuldirektor bestand darauf, mit mir umgehend zu der Fundstelle zu gehen. Ich wollte das aber nicht, da ich ohne Einverständnis meiner Großmutter die Höhle angefangen hatte zu bauen. Jeglicher Widerstand half nichts. Wir beide gingen zu der Fundstelle und der Schuldirektor grub behutsam meine Höhle aus, in der noch mehr historische Tonscherben zum Vorschein kamen. Das Geheimnis meines Höhlenbaus im Maisfeld erfuhr daraufhin meine Oma, die mir für meinen Ungehorsam eine Tracht Prügel mit dem Teppichklopfer verabreichte.
Die Scherben sind heute im Museum „Das alte Zollhaus“ ausgestellt, das eng mit der Person des damaligen Schuldirektors verbunden ist.
In diesem Garten "Am langen Berg" wurden die Scherben gefunden
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Mein Vater befand sich in Marokko in französischer Gefangenschaft und kehrte 1950 heim.
In den fünfziger Jahren war das Baden in der Elbe noch erlaubt, obwohl der Fluße die Grenze zur DDR bildete. Uns Jugendlichen bereitete das Heranschwimmen an die von tschechoslowakischen Seitenraddampfern geschleppten Elbkähne großen Vergnügen. Wir ließen uns - manchmal auch gegen den Willen der Schiffseigner - stromaufwärts bis nach Wussegel mitnehmen und schwammen dann wieder nach Hitzacker zurück. Was war das für ein Vergnügen für uns!
Ich besuchte die dortige Volksschule bis zur 8. Klasse.
Klassenfahrt nach Hamburg - ca. 1950 Sollte sich jemand auf dem Foto wiedererkennen, bitte nehmt mit mir Kontakt auf.
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Lehrzeit
1953 als ich 14 Jahre alt war, zogen meine Eltern mit mir und meinen beiden jüngeren Schwestern wieder nach Bremen. Sie hatten nämlich das große Glück, eines der ersten Nachkriegsneubauten zu erwerben.
Da die Eigenheime sehr klein waren und ein Flachdach hatten, nannte man die Siedlung im Volksmund „Kaninchenhausen“.
Blick auf die Frontseite der Reihenhäuser
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. . . und auf die Rückseite, die Gärten lagen noch brach
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Die Häuser waren aus Relikten des Krieges gebaut worden. Eine eigens dafür gebaute Trümmerverwertungsanlage der TVG zerkleinerte überwiegend die Mauerreste der zerstörten Häuser in kleine Teile. Aus diesen wurden dann im Bremer Westen Reihenhäuser gegossen.
Man konnte von unserem Haus bis zum Hauptbahnhof und in der anderen Richtung bis zum Hafen sehen. Es war eine einzige Trümmerlandschaft. Nur der Turm der Wilhadi-Kirche stand noch.
Die Reiheneigenheime lagen direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite des zerstörten Hansabades.
Auf dem Gelände des ehemaligen Hansabades wurde das damals höchste Gebäude in Bremen mit 14 Stockwerken errichtet.
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Familienpicknick auf der Terrasse
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Es war mein Wunsch, wie mein Vater als Ingenieur zur See zu fahren. Um als Ingenieur-Assistent auf einem Seeschiff anmustern zu können, war eine Bescheinigung der Schiffs-Ingenieurschule erforderlich, die bestätigte, dass man eine Lehre in einem von der Schule anerkannten Werftbetrieb abgeschlossen hatte.
Da die Atlas-Werke die Anforderungen der Schiffsingenieurschulen erfüllten, bewarb ich mich dort. Obwohl mein Vater als leitender Ingenieur bei der Reederei Stinnes gute Beziehungen zu Herrn Hugo Stinnes hatte, musste ich mich - wie alle anderen Bewerber auch - einem Eignungstest unterziehen. Der Betrieb suchte sich dann die Besten aus. Auch auf Disziplin wurde dabei geachtet. Nach bestandenem Test trat ich am 1. April 1953 meine Lehre an.
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Info: Atlas Werke
Die Atlas Werke gehörten damals zum Stinnes-Konzern. Das Werk war im Krieg zu 90% zerstört. Der Belegschaft ist es im August 1945 direkt nach Kriegsende gelungen, unter freiem Himmel zwei neue Schiffspropeller aus Bronze für den Schnelldampfer "EUROPA" zu gießen. Im Jahr 1953 zu Beginn meiner Lehre beschäftigte man ca. 3000 Leute. Es gab die Produktgruppen: Schiff-, Maschinen- und Apparatebau sowie die "ELMA" für Radar und Echolotbau. Die Produkte waren über Bremens Grenzen in aller Welt begehrt.
Den Weg von unserem neuen Zuhause zu den Atlas-Werken ging ich meist zu Fuß. Später benutzte ich auch schon mal das Fahrrad. Mit der Straßenbahn zu fahren lohnte sich nicht. Es gab sogar einige direkte Masemann-Busverbindungen in das niedersächsische Umland. Das Werk hatte man trotz der 90-prozentigen Zerstörung in dieser kurzen Zeit weitgehend wieder aufgebaut.
So sahen die Atlas Werke nach den schweren Luftangriffen der Allierten 1944/45 aus.
Acht Jahre später - zu Beginn meiner Lehrzeit - war vieles wieder aufgebaut und in den Werkhallen liefen die Fertigungen auf vollen Touren.
Zuerst wurden uns in der Lehrwerkstatt alle notwendigen Arbeiten wie Feilen, Sägen, Bohren, Anreißen, Messen, Drehen, Fräsen, Schmieden, Löten, Schweißen, Blechbearbeitung, Schaben, Werkzeuge und Spiralbohrer von Hand schärfen beigebracht. Die Lehrwerkstatt befand sich im höchsten Gebäude des Werkes direkt über der Modelltischlerei mit einem spektakulären Blick über die Weser und den Häfen.
Quelle:Dieter Volkenand
Blick aus dem Fenster der Lehrwekstatt auf den "DDG Hansa"-Neubau MS"Soneck" während der Werftprobefahrt. Ich träumte davon, später auch mal auf so einem Schiff die Welt zu erkunden.
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In der Lehrwerkstatt erzählte mir mein Kollege auf der rechten Seite viel von seinem Maico-Motorrad. Es weckte bei mir ein gewisses Interesse, zumal die Maschine gegenüber den anderen gängigen Typen kleiner war. Er war als Abiturient älter als ich und hatte deswegen auch schon einen Führerschein.
Im Sommer nach den ersten Betriebsferien blieb der Platz neben mir leer. Wir erfuhren dann von unserem Lehrmeister, dass der Kollege einen tödlichen Motorradunfall hatte. Daraufhin schwor ich mir, nie in meinem Leben werde ich mich auf ein Motorrad setzen. Diesen Schwur habe ich bis heute strikt befolgt.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen passierte auch in der Lehrwerkstatt mal ein Unfall. Meist waren es Bagatellen wie ein blauer Fingernagel, wenn man sich zum Beispiel beim Meißeln mit dem Hammer auf den Daumen haute. Das angestaute Blut verursachte einen Höllenschmerz. Unser Lehrmeister wusste in solchen Unfällen guten Rat und zeigte uns, wie man den Schmerz beseitigte. Er ging zur Tischbohrmaschine und spannte einen kleinen Bohrer von ca. 2mm ein. Er legte den Daumen des Verletzten auf eine feste Unterlage und bohrte vorsichtig durch den Daumennagel. Das angestaute Blut konnte jetzt abfließen und der Schmerz ließ sofort nach.
Eines Tages hörten wir in der Lehrwerkstatt einen fürchterlichen Schrei. Was war passiert? Einer der Lehrlinge hatte sich auch auf den Daumen gehauen und wollte, wie es uns der Lehrmeister gezeigt hatte, durch den Daumennagel bohren. Aber was hatte der Kollege gemacht, er hatte den Daumen nicht auf eine feste Unterlage gelegt, sondern den Daumen mit der anderen Hand gegen den Bohrer gedrückt. Beim plötzlichen Durchbohren des Fingernagels konnte er nicht rechtzeitig zurückschnellen und der Bohrer durchdrang den Daumen. Der Bohrer brach ab und steckte beidseitig sichtbar im Daumen. Jetzt half nur noch der Weg zum Sanitäter.
Ich habe im Laufe meines Lebens die Aufbohrmethode mehrfach erfolgreich angewendet.
Anschließend durchlief ich verschiedene Reparatur- und Fertigungsbereiche. Hierzu gehörten Rudermaschinen-, Pumpen-, Ankerwinden- und Papierschneide-Maschinenbau, die Kupferschmiede, Arbeiten auf Schiffsneubauten im Maschinenraum sowie Reparaturen aller Art.
Die Mahlzeiten wurden am Arbeitsplatz eingenommen. Entweder man brachte sich sein Essen von zu Hause als Brotschnitten oder eben als fertiges Gericht in einem verschließbaren Behältnis mit. In einem speziellen Ofen konnte man es sich aufwärmen – Mikrowelle gab es damals noch nicht. Es bestand aber auch die Möglichkeit, sich das Essen von der Werkskantine zu holen. An verschiedenen Ausgabestellen in den Werkshallen standen Behälter mit dem Essen bereit. Man ging mit seinem Kump dorthin und holte sich seinen Schlag, setzte sich auf die ölverschmierte Werkbank und genoss seine Mahlzeit. Die Gesellen tranken meist ein Bier zum Essen und rauchten dann eine Zigarette.
Einer meiner Gesellen war „Zeuge Jehovas“ und wollte mich partout bekehren. Er schenkte mir fortlaufend eine seiner Fibeln und gab mir zu verstehen, wie schön es in den Königreichssälen zugeht und dass der Alkohol Gift des Teufels sei. Mehrfach ertappte ich ihn dabei, wenn er sich einen Schluck Schnaps genehmigte, den er im Werkzeugschrank versteckt hatte. So ist es eben im wahren Leben, andere bekehren wollen und selbst dem Teufel verfallen sein. Es war ja auch zu verführerisch, denn den Alkohol gab es in der Kantine. Heute unvorstellbar.
Agfa Box Camera von 1955
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Während meiner Lehrzeit hatte ich das Glück, ab und zu am Wochenende im Hafen auf verschiedenen Schiffen bei Reparaturarbeiten helfen zu dürfen. So lernte ich die verschiedensten Dampfmaschinen und deren Hilfsmaschinen kennen. Außerdem kam mir das Überstundengeld - ich glaube es waren damals 25 Pfennig in der Stunde - sehr gelegen, denn ich hatte mir einen Agfa-Box-Fotoapparat für 6,-- DM auf Ratenzahlung gekauft. Ein paar Bilder dieser Seite wurden mit Kamera gemacht.
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Wir Maschinenschlosser-Lehrlinge gehörten mit zu den ersten, die in den neuen und modernen Berufsschulen an der Doventorscontrescarpe - das ist der Name der Straße - unterrichtet wurden.
Klassenfahrt der Berufsschüler "Maschinenschlosser"
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Da damals noch samstags gearbeitet wurde, genossen wir die Wochenenden weniger pompös als heute. Mit unseren Fahrrädern ging es mit der Fähre "Pusdorf" von Atlas hinüber auf die andere Weserseite nach Pusdorf zum Anleger der Neptun-Werft. Von hier radelten wir nach Rabelinghausen an die Weser. Gegenüber der Einfahrt zum Europahafen und der Adler-Werft wurde gebadet. Ja, das gab es damald wirklich und direkt neben uns fuhren die großen Überseedampfer.
Fähre "Pusdorf"
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Rabelinghauser Strand
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"Weserstolz" und ein Liberty-Frachter vor der Einfahrt zum Europahafen
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Aprospos Fahrrad
Am 23. Juli 1953 bin ich als 15-jähriger während des Sommerurlaubs alleine mit dem Fahrrad nach Hamburg zu den Howaldtswerken gefahren. Ich wollte unbedingt den Stapellauf des damals größten Tankers der Welt, die "Tina Onassis" miterleben.
Die "Tina Onassis" noch auf dem Helgen
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Jetzt ist sie im nassen Element
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Bei schönstem Sommerwetter herrschte im Hafen fast Volksfeststimmung.
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Spätnachmittags fuhr ich dann noch ca. 120 km weiter über Lauenburg nach Hitzacker zu meiner Oma im Zollhaus, die einzige noch Lebende von meinen Großeltern. Mein Fahrrad hatte damals noch keine Gangschaltung, es war ein ganz einfacher Drahtesel. Außerdem war der Gepäckträger voll bepackt. In Hitzacker habe ich mir durch mühseliges Blaubeerpflücken so viel Geld verdient, dass ich mir davon später in Bremen bei der Fahrradfabrik Beitsch in der Ladestraße eine dreigängige Fichtel & Sachs Gangschaltung kaufen konnte. Mit den dazugehörigen Speichen habe ich die Schaltung selbst eingebaut.
Das war mein Beitsch-Fahrrad - hier schon mit F&S-Gangschaltung
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Auch wenn die Lehre damals kein Zuckerschlecken und die Freizeit sehr beschränkt war, muss ich aus heutiger Sicht sagen, die damalige Ausbildung war hervorragend. Noch heute profitiere ich von dem damals Gelernten. Auf diesem Wege möchte ich im Besonderen den Lehrmeister Alfons Fiedler sowie Herrn Oetjen, Herrn Kroning, Herrn Barthels, den Meister der Kupferschmiede Herrn Kück und den Prüffeldingenieur Herrn Heitmann und viele andere, deren Namen ich vergessen habe, für die exzellente Ausbildung danken!
Mit freundlicher Genehmigung:
www.Kulturhaus Pusdorf-Info
Die "Atlas-Werke", im Vordergrund die MS "Guatemala" der MAMENIC-Line, Managua/Nicaragua am Ausrüstungskai
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Der Schiffbau war damals im wahrsten Sinne des Wortes noch reine Handarbeit!
Mit freundlicher Genehmigung durch: Peter Kiehlmann/Sammlung Günter Hamann
MS "Rolandseck" der DDG "Hansa" in Bremen auf dem Querhelgen kurz vor dem Stapellauf.
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Während dieser Zeit wurden vier Schiffe für die Mamenic-Line gebaut. Neben der bereits erwähnten "Guatemala" die Schwesterschiffe "Costa Rica", "Honduras" und "Nicarao". Sie wurden auf einem Querhelgen - im Schiffbau nicht die Regel - gebaut. Die Schiffbauer, die damals die genieteten Schiffe fertigten, konnte man im wahrsten Sinne des Wortes als Meister ihres Fachs bezeichnen. Die heutigen "Riesenklötze" dagegen werden im Dock im Akkord zusammengeschweißt.
Das Land Nicaragua ehrte die Schiffbauer der Atlas-Werke mit einer Briefmarkenserie der dort gebauten Schiffe.
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Mit freundlicher Genehmigung:
www.Kulturhaus Pusdorf-Info
Hugo Stinnes bei der Übernahmefeier seines Schiffes "Nora Hugo Stinnes" im Jahr 1956.
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Zu besonderen Anlässen, wie zum Beispiel Schiffstaufe, Probefahrt oder Ablieferung eines seiner eigenen Schiffe, erschien auch der Konzernchef Hugo Stinnes. Eine ganz besonderes Erlebnis war es für mich als 15-jähriger Lehrling, wenn er der Lehrwerkstatt einen Besuch abstattete. Zu jener Zeit waren diese Leute für mich noch kleine Herrgötter.
Meine erste eigenständige Arbeit war das Einschaben und die Fertigstellung einer Schottenschließanlage, welche zwischen Maschinenraum und Wellentunnel eingesetzt wurde.
Schottenschließanlage
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Wir Lehrlinge mussten unseren Urlaub immer während der Sommerferien nehmen. Im Laufe der Zeit hatte sich zwischen dem Lehrkollegen Peter B. und mir eine engere Freundschaft entwickelt. Peter besaß zu der damaligen Zeit schon ein sehr komfortables Autoboot, welches er von seinem Opa geerbt hatte. Das aus Mahagoniholz bestehende Boot war auf der bekannten Yacht- und Bootswerft Burmester in Bremen-Burg gebaut worden. Er lud mich des öfteren an Wochenenden oder im Urlaub zu kleinen Ausflügen ein. Das Boot lag am Torfkanal in unmittelbarer Nähe des Bürgerparks. Um in die Weser zu gelangen, mussten wir über die kleine Wümme und Lesum fahren. Auf dem Weg dorhin passierten wir einige Schleusen. Oft fuhren wir nach Neuhelgoland in Worpswede. Eine sehr schöne Tour machten wir vorbei am Bremer Vulkan nach Elsfleth. Von dort ging es dann durch den Küstenkanal bis Dörpen. Übernachtet haben wir im Boot.
In Bremen-Vegesack
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auf dem Küstenkanal
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Morgentoilette
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Mittagessen
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Der Küstenkanal war damals noch so sauber, dass wir das Wasser zur Morgentoilette nutzten. Das Essen haben wir selbst zubereitet. Es wurde auf einem Gaskocher gegart. Den Abwasch tätigten wir während der Fahrt im Kanal ! Ein Elac-Plattenspieler sorgte damals für mehr oder weniger gute Musikuntermalung
Info: Was hatten die Atlas Werke mit dem Bremer Freimarkt zu tun? |
Aufgrund des guten Rufes und der hervorragenden Lehrausbildung hatte sich die Freie Hansestadt Bremen für die Atlas Werke zur Ausrichtung der Freimarktsbeerdigung entschieden. Dazu gehörte auch die Anfertigung der entsprechenden Utensilien. Für uns Lehrlinge war es eine Ehre, wenn wir den Sarg durch die Innenstadt, Remmer-Bierkeller, Hauptbahnhof, Freimarktgelände und zurück zur Weserbrücke tragen durften. Hier wurde der Sarg zu einer bestimmten Uhrzeit in die Weser geworfen. …und somit war der Freimarkt - eines der ältesten und größten Volksfeste Deutschlands - für ein Jahr beerdigt. Er fand erstmals im Jahre 1035 statt.
Freimarkt Beerdigung 1955
"Remmer"-Bierstuben im alten Lloydgebäude
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Im Hauptbahnhof
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"Trauergemeinde" mit Sarg auf dem Weg zum Freimarkt
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Freimarkt bei Nacht
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Am 30.9.1956 beendete ich die Lehre als Maschinenschlosser. Ich nahm meinen Gesellenbrief und besorgte mir die Bescheinigung - wie Eingangs erwähnt - von der Schiffsingenieurschule. Beim Hafenarzt stand der Gesundheitscheck an, ohne Probleme händigte man mir das Seediensttauglichkeitszeugnis mit Gesundheitskarte aus. Zum Schluss war die Heuerstelle für die Ausstellung eines Seefahrtbuches an der Reihe. Sofort nach Erhalt dieser Unterlagen bemühte ich mich um eine Stelle als Ingenieur Assistent. Es klappte auf Anhieb bei der Reederei Hugo Stinnes in Hamburg.
Es musste nur noch schnell der Koffer gepackt werden und ab ging es zum Bremer Überseehafen auf die MS "Andrea".
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letztes update: 17. September 2014
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